„Frühling, Sommer, Herbst und Winter
– Bilder aus dem Jahr der Kinder“
Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum
ab 20. März bis 20. Juni 2019
Vor 100 Jahren oder heute:
Jeder ist froh, wenn der Winter zu Ende geht – Monate der Dunkelheit, der Kälte, des Regens –
und freut sich auf den Frühling – eine Zeit der wiederkehrenden Sonne, der Wärme und des Erwachens der Natur -.
Schulwandbild um 1900
Bedeutet
Frühling heute, dass man wieder draußen in Eiscafés sitzen, neue Mode
shoppen und das Frühstück bei Vogelgezwitscher auf der Terrasse oder
dem Balkon genießen kann,
bedeutete Frühling vor 100 Jahren vor allem eines:
Bestellung der Äcker und Gärten, Aussaat, Rückschnitt von Bäumen und viele andere Arbeiten im Freien.
Das Lied „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt.....“ kennt wohl jeder.
Diese enge Verbundenheit mit der Natur, die Abhängigkeit von ihr und
dem Wetter ist heute nicht mehr so stark fühlbar. Gegen äußere
Einflüsse kann man sich abschirmen. In angenehm warmen Wohnungen und
Klassenzimmern oder in klimatisierten Büros stören weder Schnee, Hagel,
Regen noch intensive Sonne, höchstens auf der Fahrt dorthin.
Das war einmal völlig anders. Blättert man durch alte Kinder- und
Schulbücher, erfährt man von dem Eingebundensein in den
jahreszeitlichen Wechsel.
„Wacht auf!“ ist die Überschrift für den Frühling in dem Bilderbuch
„Erdmütterlein ruft.“ aus den 20er Jahren. Für den Sommer steht „Zur
Arbeit!“, für den Herbst „Erntet!“ und für den Winter „Zu Bett!“.
Doppelseite aus dem Liederbuch Sing mit, Bayern 1954
Der
letzte Titel darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Winter
zwar in der Natur eine Zeit der Ruhe war, jedoch nicht für die Kinder.
Sie mussten die Eltern zuhause unterstützen beim Holzhacken, Putzen,
Melken, Spinnen, Weben, Nähen usw. Das Ausbessern von Geräten und
Kleidung wurde ebenfalls im Winter erledigt. Es war eine Zeit der Not
und des Mangels, in der oftmals die Lebensmittelvorräte knapp wurden
und lediglich ein Raum im Haus geheizt wurde, die gute Stube.
Auch der Schulunterricht richtete sich nach den in der Landwirtschaft
anfallenden Arbeiten, die zu einem beachtlichen Teil von Kindern
erbracht wurden.
Im Winter, wenn die Feldarbeit ruhte, mussten bzw. durften die Kinder
länger in die Schule, die am Morgen nach der Frühmesse um 8:00 Uhr
begann und, nach einer Mittagspause zuhause, erst am späten Nachmittag
vor Einbruch der Dunkelheit endete.
Im Sommerhalbjahr, wenn die Arbeitskraft der Kinder auf dem Feld
benötigt wurde, endete der Unterricht schon am Mittag. Bis in die 50er
Jahre hinein gab es in Bayern – einem damals noch sehr agrarisch
ausgerichteten Bundesland – im Herbst sog. Kartoffelferien. Die Kinder
hatten schulfrei, um bei der Kartoffelernte zu helfen!
Seite aus der Fibel Mein erstes Buch, Bayern 1948
Gegliedert war der Jahreslauf insbesondere auch durch kirchliche Feste und Feiertage.
Ostern, das bedeutendste christliche Fest, beendete die Fastenzeit und
brachte den Kindern bunt bemalte Eier, die der Osterhase versteckte.
Weihnachten, das beliebteste Fest, beendete die Adventszeit und brachte den Kindern Geschenke und einen geschmückten Christbaum.
Zahlreiche andere religiöse Feiertage, deren Sinn sich heute nicht mehr
allen erschließt – wer weiß denn noch, was „Epiphanias“, „Maria
Lichtmess“ oder „Fronleichnam“ bedeutet –, bestimmten und unterteilten
das Jahr.
Natürlich bestand ein Kinderleben vor 100 Jahren nicht nur aus Arbeit, Lernen und Kirchgang.
Es gab auch zahlreiche Freizeitvergnügungen, die heutigen Kindern größtenteils unbekannt sein dürften.
Man spielte im Freien Verstecken, Fangen, „Blinde Kuh“, versuchte
Schusser (Murmeln) in ein Loch oder eine einfache Mulde im Erdboden zu
rollen, hüpfte zu aufgesagten Reimen Seil, drehte Reifen und Kreisel
und vieles mehr.
Solche Spiele und Abbildungen zeigt das Schulmuseum in seiner neuen,
jahreszeitlich wechselnden Sonderausstellung ab dem 20. März 2019
beginnend mit dem Frühling. Ergänzt durch wunderschön illustrierte
Kinderbücher, Fibeln und andere Schulbücher kann sich der Besucher ein
Bild machen vom Leben der Kinder in der Schule und in der Freizeit im
Jahreslauf, darf sich durch diese Darstellung einer heilen Kinderwelt
allerdings nicht darüber hinwegtäuschen lassen, dass Kinderarbeit,
Prügelpädagogik, Mangelernährung und eine schlechte medizinische
Versorgung erst im Laufe des 20. Jahrhunderts verschwanden.
Jahreszeiten, Staubs Bilderbuch, um 1905
Text und Bilder:
Bettina Merz, Mitarbeiterin des Schulmuseums Lohr
Das
Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis
Sonntag und an allen
gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr
geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger
Absprache außerhalb der
regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.
(Kontakt: Eduard Stenger,
Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main;
Tel. 09352/4960 oder 09359/317,