Der Afrikaner im Kinderbuch
Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum
vom 18. Januar bis 17. Mai 2015


Am 31. Januar 1865, also vor 150 Jahren, beschloss der US-Kongress mit dem 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten das Verbot der Sklaverei in den USA. Es war Schlusspunkt und Ende der offiziellen Sklaverei in den damaligen Industrienationen.
Szenen aus dem rassistischen Bilderbogen Knecht Ruprecht in Kamerun, um 1890 (Kamerun war damals eine deutsche Kolonie)

Szenen aus dem rassistischen Bilderbogen Knecht Ruprecht in Kamerun, um 1890 (Kamerun war damals eine deutsche Kolonie)
Der Bilderbogen vermittelt den Kindern in karikaturhafter Art das stereotype Bild von den „wilden Schwarzen“, die natürlich auch mit 
den üblichen Geschenken für die Kinder innerhalb des europäischen Kulturbereichs nicht in der gewünschten Weise umgingen.

Nicht per Gesetz verbieten ließ sich jedoch das rassistische Gedankengut, welches nach wie vor auch seinen Weg in die Kinderbücher fand und schon bei den Kindern das Bild von dem faulen und unzivilisierten „Neger“ in seiner stereotypen, klischeehaften Erscheinungsform verfestigte.
Szenen aus dem rassistischen Bilderbogen Knecht Ruprecht in Kamerun, um 1890 (Kamerun war damals eine deutsche Kolonie)

Szenen aus dem rassistischen Bilderbogen Knecht Ruprecht in Kamerun, um 1890 (Kamerun war damals eine deutsche Kolonie)
Der Bilderbogen vermittelt den Kindern in karikaturhafter Art das stereotype Bild von den „wilden Schwarzen“, die natürlich auch mit 
den üblichen Geschenken für die Kinder innerhalb des europäischen Kulturbereichs nicht in der gewünschten Weise umgingen.

So vermittelte der Bilderbogen Knecht Ruprecht in Kamerun - Kamerun war damals eine deutsche Kolonie - 1890 den Kindern in karikaturhafter Art die Vorstellung von den „wilden Schwarzen“, die natürlich auch mit den üblichen Weihnachtsgeschenken für die Kinder innerhalb des europäischen Kulturbereichs nicht in der gewünschten Weise umgingen.
Das von Knecht Ruprecht mitgebrachte Schaukelpferd wurde „mit Haut und Haar verzehrt“, ebenso das Bilderbuch. Die Puppen wurden über dem offenen Feuer am Spieß gebraten und der Hampelmann endete am Marterpfahl. Schließlich musste Knecht Ruprecht selbst schleunigst die Flucht ergreifen, weil ihn „die jungen Herrn am Ende selbst zum Fressen gern“ hatten.
Kinderliederbuch „Zehn kleine Negerbuben“ (oder Negerlein),  Illustrationen auf der Vorder- und Rückseite, um 1930
Kinderliederbuch „Zehn kleine Negerbuben“ (oder Negerlein),  Illustrationen auf der Vorder- und Rückseite, um 1930
Dieses Kinderlied gehörte bis gegen Ende des 20, Jahrhunderts zu den oft in Kindergärten und Grundschulen gesungenen Liedern.
In ihm wird letztlich der Afrikaner als dumm, lernunfähig und ungeschickt dargestellt und kommt dadurch zu Tode.
Es zeichnete ein Zerrbild vom ungebildeten, geistig zurückgebliebenen und tölpelhaften Afrikaner. Dieses Zerrbild als Folge
deutscher Kolonialpropaganda fand seinen Eingang auch in die Kinderbücher.

Bis gegen Ende des 20. Jahrhunderts gehörte das „Lied von den zehn kleinen Negerlein“ zu den am häufigsten gesungenen Liedern in Kindergärten und Grundschulen. Dabei zeichnete es doch ein Zerrbild vom ungebildeten und tölpelhaften Afrikaner. Dieses Zerrbild als Folge deutscher Kolonialpropaganda fand seinen Eingang auch in die anderen Schulbücher und untermauerte dadurch auch „offiziell“ die Vorstellung von der Überlegenheit der „weißen Herrenrasse“, die sich dazu berufen glaubte, den „wilden“ Afrikanern die europäische Kultur aufzuzwängen, sie gewissermaßen zu schwarzen Europäern zu erziehen, ohne Rücksicht auf die traditionsreichen Kulturen eines anderen Erdteils.
Kinderliederbuch „Zehn kleine Negerbuben“ (oder Negerlein),  Illustrationen auf der Vorder- und Rückseite, um 1930
Kinderliederbuch „Zehn kleine Negerbuben“ (oder Negerlein),  Illustrationen auf der Vorder- und Rückseite, um 1930
Dieses Kinderlied gehörte bis gegen Ende des 20, Jahrhunderts zu den oft in Kindergärten und Grundschulen gesungenen Liedern.
In ihm wird letztlich der Afrikaner als dumm, lernunfähig und ungeschickt dargestellt und kommt dadurch zu Tode.
Es zeichnete ein Zerrbild vom ungebildeten, geistig zurückgebliebenen und tölpelhaften Afrikaner. Dieses Zerrbild als Folge
deutscher Kolonialpropaganda fand seinen Eingang auch in die Kinderbücher.

Grete Ziemann schrieb in diesem Sinne nach einem Kamerunaufenthalt in dem 1908 von ihr verfassten Buch „Mola Koko! Grüße aus Kamerun“: „Der Neger ist kein Kind, der Neger ist eben Neger. (…) Laßt uns den Neger an die Hand nehmen und ihm zeigen, daß wir für ihn sorgen, und nicht bloß ausbeuten wollen, dann werden eine Anzahl bildungsfähiger Keime auch eher zur Entwicklung kommen. Möge in dieser Beziehung das Titelbild des Buches eine Art Symbol darstellen. Man kann nur immer wiederholen, Erziehung zur Arbeit durch Europäer, die selber erzogen sind, tut not.“
Doch selbst wenn der Afrikaner, insbesondere der Afro-Amerikaner, versuchte, sich der weißen Lebensart und Kultur anzupassen, wurde dies nicht gewürdigt, sondern ins Lächerliche gezogen. So oder so konnte der Afrikaner/Afro-Amerikaner sich den jahrhundertelang aufgebauten Vorurteilen nicht entziehen. Ihm erging es damit ähnlich wie den auf Assimilation bedachten deutschen Bürgern jüdischer Konfession in Deutschland.
Der damals sehr bekannte Kinderbuchautor und Gestalter von Ziehbilderbüchern, Lothar Meggendorfer, brachte schon auf den ersten Seiten eines seiner bekanntesten Werke „Lustiges Automaten-Theater“, Verlag Schreiber in Eßlingen, 1890, die Ziehbildgeschichte vom „Negergigerl“ und dichtete dazu:

„Das Negergigerl.
Der Neger, ei, wie elegant!
Das reinste Modeschnigerl;
Wer so sich trägt, heißt, wie bekannt,
Ein Modefex – ein ‚Gigerl‘.

Seht nur, wie er die Zeitung hält
Sich dicht vor sein Gesichte;
Und eifrig liest er, es gefällt
Gewiß ihm die Geschichte.

Ihr zieht – ha! Schaut nur, wie er lacht,
Wie Aug und Arm sich rühren!
Ja, selbst die Pfeife wird er sacht
Zu seinem Munde führen!“


„Die Geschichte von den schwarzen Buben“, aus der Struwwelpeter-Ausgabe von 1947 „Die Geschichte von den schwarzen Buben“, aus der Struwwelpeter-Ausgabe von 1947
„Die Geschichte von den schwarzen Buben“, aus der Struwwelpeter-Ausgabe von 1947 Schon früh bekämpfte der
Arzt Heinrich Hofmann rassistische Vorurteile. In seinem erstmals im Herbst 1845 auf dem Büchermarkt erschienenen
Kinderbuch „Struwwelpeter“ ließ er die drei Buben, die einen Mohren verspottet hatten, im Tintenfass schwärzen.

Schon früh hat der Arzt Heinrich Hofmann die rassistischen Vorurteile seiner Zeit bekämpft. In seinem im Herbst 1845 auf dem Büchermarkt erschienenen Kinderbuch „Struwwelpeter“ ließ er die drei Buben, die einen Mohren verspottet hatten, im Tintenfass schwärzen. „Doch Hoffmann blieb allein auf weiter Flur. Denn die damals schon wissenschaftlich unhaltbare Ideologie einer genetischen Verschiedenheit der Menschenrassen aus dem 18. Jahrhundert ließ sich nicht mehr bremsen und artete unverzüglich zur Rassendiskriminierung aus. Die unsägliche 'Lehre von den menschlichen Varietäten' hatte sich zu einem virulenten Virus geistiger Beschränktheit gewandelt, den nicht einmal das Grauen des Holocausts stoppte.“(Michael Westerholz, Journalist und Buchautor)
„Die Geschichte von den schwarzen Buben“, aus der Struwwelpeter-Ausgabe von 1947 Schon früh bekämpfte der
„Die Geschichte von den schwarzen Buben“, aus der Struwwelpeter-Ausgabe von 1947 Schon früh bekämpfte der
Arzt Heinrich Hofmann rassistische Vorurteile. In seinem erstmals im Herbst 1845 auf dem Büchermarkt erschienenen
Kinderbuch „Struwwelpeter“ ließ er die drei Buben, die einen Mohren verspottet hatten, im Tintenfass schwärzen.

Trotz aller gesellschaftlicher Entwicklungen und geschichtlicher Erfahrungen haben sich die derart tief eingeprägten rassistischen Klischees in mancherlei Beziehung bis in die Gegenwart erhalten.
Es ist offensichtlich, dass die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen, welche in Artikel 1 konstatiert:
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ (UNO-Resolution 217 A (III) vom 10. Dezember 1948)
bis heute nicht in den Köpfen vieler Menschen angekommen ist.
Diesem Themenkreis widmet das Lohrer Schulmuseum eine Sonderausstellung mit dem Titel „Der Afrikaner im Kinderbuch“, welche in sechs Vitrinen im Eingangsbereich des Museums ab dem 18. Januar 2015 bis 17. Mai 2015 zu besichtigen ist.

„Koloniale Greuel.“
Artikel (Auszüge) auf der Titelseite vom „Lohrer Anzeiger“ am 29. Nov. 1905

Mit bemerkenswerter Offenheit berichtete der „Lohrer Anzeiger“ immer wieder über die Untaten deutscher „Kolonisatoren“, von denen viele den Afrikaner als minderwertigen und rechtlosen Menschen behandelten. Der Weg zur Rassenlehre  des Dritten Reichs war also längst vorbereitet, die NS-Ideologen brauchten sich schließlich nur zu bedienen.
So schrieb der „Lohrer Anzeiger“ am 29. Nov. 1905 in seiner Titelgeschichte u.a.:
Titelseite des Lohrer Anzeigers vom 29. Nov. 1905

Titelseite des Lohrer Anzeigers vom 29. Nov. 1905

„In Kamerun sind namentlich im Süden die Eingeborenen in barbarischer Weise mißhandelt worden. Diesen Sommer über haben sich die sog. Batanga-Firmen und die Gesellschaft Südkamerun die schwersten Vorwürfe gemacht; es hieß in den gegenseitigen Beschuldigungen, daß die Eingeborenen haufenweise einfach niedergeknallt worden seien. (…) In dem halben Schutzgebiete 'zeichnete' sich ein Offizier (der deutschen Kolonialtruppe) durch seine geradezu bestialische Grausamkeit aus, er hat nach der amtlichen Anzeige eines untergebenen Offiziers gleich mehrere Menschenleben auf dem Gewissen, indem er  die Träger seiner Expedition ohne Not einfach verhungern ließ und befahl, sie in den Busch zu werfen, dort fand man sie nach einigen Tagen noch lebend, aber bereits von Hyänen angefressen! Welche Strafe erhielt er? Im Kolonialdienst war er allerdings unmöglich geworden; nach Verbüßung einer ganz geringen Haftstrafe wurde er jedoch in das preußische Heer aufgenommen und lebt heute als Hauptmann a. D. (…) Wollten wir erst auf das sittliche Verhalten so mancher 'Kulturpioniere' eingehen, so könnten wir ganze Bände schreiben! Was hier an Ekel und Schmutz sich auftürmt, das ist unglaublich! (…) Wir könnten die schmutzige Wäsche unserer kolonialen Mißwirtschaft noch um manches Stück vermehren; es sei vorerst genügend an diesen! Bei den bevorstehenden Verhandlungen im Reichstage wird zweifelsohne noch mehr von den kolonialen Greueltaten enthüllt werden, und das ist geboten, damit das deutsche Volk sieht, wofür es die Hunderte von Millionen überhaupt ausgibt.“
„Kolonialherrschaft“, Schulwandbild aus dem Jahr 1984 – stark vergrößerte Aufnahme aus der Zeit um 1900
„Kolonialherrschaft“, Schulwandbild aus dem Jahr 1984 – Aufnahme aus der Zeit um 1900

Die verbreitete negative Grundeinstellung deutscher Herrenmenschen den Afrikanern
gegenüber fand sich natürlich auch „kindgemäß“ aufbereitet in den Kinderbüchern usw. und wirkte lange nach.

Weitere ergänzende Informationen findet der Besucher im Bereich Kaiserreich und Drittes Reich der ständigen Ausstellung des Museums.
Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen
gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger
Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.
(Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main;
Tel. 09352/4960 oder 09359/317,
e-Mail: eduard.stenger@gmx.net)

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