Sonderausstellung Schulmuseum Lohr a. Main

Neue Sonderausstellung vom 16. 10. 2006 bis 26. 10. 2006 Neue Sonderausstellung
„Kein Volk der Erde macht uns das nach!“
Zur Erinnerung an den „Hauptmann von Köpenick“

„Extrablatt des Cöpenicker Dampfboot, 16. Oktober 1906:
Seit 4 Uhr nachmittags befindet sich unsere Bürgerschaft in grösster Aufregung...“
Die Sondermeldung war der Beginn der weltweiten Pressesensation des Jahres 1906 – und eine Stadt wollte ihren Namen ändern.
Was war geschehen?
Bildpostkarte  „Der verhaftete Hauptmann von Köpenick“.
Bildpostkarte  „Der verhaftete Hauptmann von Köpenick“.
Am frühen Nachmittag des Tages hatte ein Hauptmann mit zehn Soldaten das Köpenicker Rathaus besetzt, den Bürgermeister und mehrere Angestellte verhaftet und war schließlich mit 3557,45 Mark aus der Stadtkasse verschwunden.
Es dauerte mehrere Stunden, bis man in Köpenick erkannte, dass man von einem falschen Hauptmann beraubt worden war, der die echten Soldaten vorher unter seine Befehlsgewalt gestellt hatte.
Extrablätter, Leitartikel und ein bereits am nächsten Tag veröffentlichter Steckbrief verbreiteten die Nachricht von dem dreisten Gaunerstück wie ein Lauffeuer und brachten entsprechende Kommentare. So schrieb das „Berliner Tageblatt“ am 17. 10 1906: „Die gestrige Groteske sucht wohl ihresgleichen. Kühnere und größere Raubtaten sind verübt worden, aber wohl nie hat ein Räuber so alles auf die eine Karte: Dupieren gesetzt, als gestern der verschwundene Hauptmann. Zunächst, wie richtig der Verbrecher die Psyche des gedrillten preußischen Soldaten berechnet. Der Mann vor ihnen hat die Hauptmannsuniform an, und so folgen sie...Vor der Uniform liegen alle auf dem Bauch, die sogenannte Gesellschaft, die Behörden vom Minister bis zum letzten Nachtwächter, das Bürgertum und die breite Masse des Volkes auch...Heute ist die Uniform der Fetisch, vor dem alle Manneswürde und aller Mannesmut in ein Mauseloch kriechen.“
Postkarte zum Thema „Der Hauptmann von Köpenick“, („Der Köpenicker Handstreich“), geschrieben am 23. 10. 1906
Postkarte zum Thema „Der Hauptmann von Köpenick“, („Der Köpenicker Handstreich“), geschrieben am 23. 10. 1906.
Schon 24 Stunden nach dem genialen Gaunerstück kamen die ersten Ansichtskarten auf den Markt mit Szenen von den
„Heldentaten“ des falschen Hauptmanns und fanden reißenden Absatz.
Berlin staunte und es herrschte „fortgesetzt bald vergnügtes Schmunzeln, bald stürmische Heiterkeit“, schrieb die „Tägliche Rundschau“ am 18. Oktober 1906. Über die armen Köpenicker ergoss sich eine Flut von Witzen und Beschimpfungen, und viele Bürger der Stadt wollten Köpenick umbenennen.
Tagelang blieb die Täter-Fahndung ohne Erfolg – und das Grinsen der Berliner wurde immer breiter. „In den Straßenbahnwagen, in den Kneipen, überall, wo Deutsche versammelt sind, gründen sie jetzt nicht mehr einen Verein, bringen sie jetzt nicht mehr ein Hoch aus, sondern sie grinsen sich an, ohne ein Wort zu sagen. Es ist ein Telegrafieren von Gehirn zu Gehirn, das sich da vollzieht, wie man es seit Menschengedenken nicht erlebt hat. Jeder glaubt vom anderen, er denke und könne nur denken an Köpenick...“ (Berliner Volkszeitung vom 21. 10. 1906, Morgenausgabe)
Postkarte zum Thema „Der Hauptmann von Köpenick“, geschrieben am 26. 10. 1906
Postkarte zum Thema „Der Hauptmann von Köpenick“, geschrieben am 26. 10. 1906, mit dem zusätzlichen
Vermerk: „Soeben werden hier Extrablätter ausgegeben, daß der Räuberhauptmann verhaftet worden ist
 und zwar hier in Berlin. Es ist ein bereits mit 22 Jahren Zuchthaus vorbestrafter Mensch namens Wilhelm Vogt.
“Schon 24 Stunden nach dem genialen Gaunerstück kamen die ersten Ansichtskarten auf den Markt mit
Szenen von den „Heldentaten“ des falschen Hauptmanns und fanden reißenden Absatz.
Als der falsche Hauptmann endlich zehn Tagen nach seinem genialen Streich gefasst werden konnte, waren die Kripobeamten überrascht von dem äußeren Erscheinungsbild des Täters: Eine dürre, hagere, krumme Gestalt mit tiefliegenden Augen, die so gar nichts von einem schneidigen Offizier des noblen 1. Garderegiments an sich hatte, wie verschiedentlich in der Presse beschrieben. Es war ein Schuhmacher aus Tilsit namens Wilhelm Voigt, der nie „gedient“ hatte, aber von seinen siebenundfünzig Jahren neunundzwanzig Jahre in Gefängnissen und Zuchthäusern verbracht hatte.
Dort hatte er sich vor allem mit militärischen Vorschriften beschäftigt und war dabei auf eine bemerkenswerte Order aus dem Jahr 1855 gestoßen: „Der Offizier ist dadurch, daß er die Offiziersuniform Seiner Majestät des Königs trägt, als Offizier legitimiert, bedarf der Polizei gegenüber keiner anderen Legitimation...“ ( Auszug aus einer Allerhöchsten Kabinettsorder von 1855). Dieses Vorrecht war auch in die Militärgerichtsordnung von 1898 übernommen worden.
Voigt erkannte schnell, welche Möglichkeiten sich da ergaben. Es war der Einstieg in die Tat vom 16. Oktober 1906.
Als der deutsche Kaiser Wilhelm II. von der Verhaftung des falschen Hauptmanns und über den Fall „Köpenick“ ausführlich unterrichtet wurde, soll er gesagt haben: „Da kann man sehen, was Disziplin heißt! Kein Volk der Erde macht uns das nach!“
Kaiser Wilhelm II.; offizieller Litho-Druck „1888 – 25 JAHRE DEUTSCHER KAISER – 1913“
Kaiser Wilhelm II.; offizieller Litho-Druck „
1888 – 25 JAHRE DEUTSCHER KAISER – 1913“.
Als der deutsche Kaiser Wilhelm II. von der Verhaftung
des falschen Hauptmanns und über den Fall „Köpenick“
ausführlich unterrichtet wurde, soll er gesagt haben:
 „Da kann man sehen, was Disziplin heißt! Kein Volk
der Erde macht uns das nach!“
Nach einem schnellen Prozess wurde Wilhelm Voigt am 1. Dezember 1906 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, aber schon knapp zwei Jahre später begnadigt und am 16. August 1908 aus dem Gefängnis in Tegel entlassen.
Nun begann die zweite Karriere des Schusters. Als Hauptmann a. D. entschied sich Voigt „für die Öffentlichkeit, für den stickigen bürgerlichen Tingeltangel, getrieben von Abenteuerlust und Geldgier...Voigt verfiel den Banalitäten der Unterhaltungsindustrie und sank herab zur Amüsierlokal- und Rummelplatzsensation“. (Winfried Löschburg, OHNE GLANZ UND GLORIA, Die Geschichte des Hauptmanns von Köpenick, Buchverlag Der Morgen, Berlin 1979)
Am 3. Januar 1922 starb der „Hauptmann von Köpenick“ völlig verarmt in Luxemburg. Als der Sarg auf den Wagen gehoben wurde, passierte zufällig eine Kompanie französischer Jäger die Straße und präsentierte der Sitte gemäß vor dem Leichenzug. So wurde dem falschen Hauptmann noch im Tod eine militärische Ehrung zuteil.
Das heutige Bild des „Hauptmanns von Köpenick“ ist das Ergebnis einer Legendenbildung, zu der Voigt bereits 1909 mit seinen Memoiren den Grundstock gelegt hatte und durch Unwahrheiten und Verfälschungen sein Charakterbild idealisiert und geschönt dargestellt hatte, denn Voigt war sicherlich ein Gesetzesbrecher und hatte immer wieder zielbewusst gegen bestehende Rechts-Normen verstoßen.
Mütze und Degen eines preußischen Offiziers um 1900
: Mütze und Degen eines preußischen Offiziers um 1900; dazu:
Berlin-Souvenir-Männchen 1973 "Der Hauptmann von Köpenick"
Vor allem aber war es Carl Zuckmayer, der in seinem Theaterstück „Der Hauptmann von Köpenick. Ein deutsches Märchen.“ weniger auf historische Genauigkeit achtete, sondern mehr Wert auf Ausdeutungen und Hintergründe legte sowie vor der kommenden Gefahr durch die braune Uniform der Nazis warnen wollte. Voigt wurde von Zuckmayer nicht als Hochstapler und Krimineller, sondern als Unglücksrabe und Ausgestoßener dargestellt, dem die Aufenthaltserlaubnis und ehrliche Arbeit durch unsinnige Gesetze und Polizeiwillkür verweigert worden waren.
Ähnlich auch Helmut Käutners Film „Der Hauptmann von Köpenick“ 1956 nach einem Drehbuch von Carl Zuckmayer, mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle.
Mütze und Degen eines preußischen Offiziers um 1900
Mütze und Degen eines preußischen Offiziers um 1900
Tatsächlich war es z.B. Voigt bei der Besetzung des Köpenicker Rathauses nicht um einen Pass gegangen, sondern um zwei Millionen Mark, die sich angeblich nach Presseberichten dort befinden  sollten, was aber nicht zutraf.
Auch von dem geraubten Geld hatte Voigt bis zu seiner Verhaftung innerhalb von zehn Tagen bereits 769,45 Mark ausgegeben, etwa halb so viel, wie ein Arbeiter im Jahr damals verdiente. Man darf wohl davon ausgehen, dass er das Geld nicht in einen Hilfsfonds für entlassene Sträflinge eingezahlt hatte.
Trotzdem ist Voigts „Bravourstück von Köpenick und dessen weltweite Ausstrahlung ein Ereignis von großer Tragweite und fast ein Menetekel, mit dem er, wenn auch unbewußt, den Menschen die Augen öffnete und sich für alle Zeit in das Buch ungewöhlicher Kriminalfälle eintrug“. (Winfried Löschburg)
Als passende Ergänzung der am 22. 10. 2006 endenden Sonderausstellung „Der Schulrekrut und seine Fibel – Lernen mit Gott für König, Kaiser und Vaterland“ zeigt das Lohrer Schulmuseum im Eingangsbereich vom 16. 10. 2006 bis 26. 10. 2006 verschiedene Dokumente, Karikaturen, Postkarten, Uniformteile usw. zum Thema „Der Hauptmann von Köpenick“ aus der Sammlung C. Rolf Rammelt in Leipzig, mit Ergänzungen aus den Beständen des Archivs des Schulmuseums.
(Text: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr am Main, Tel. 09359/317)


Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger telefonischer Absprache (Tel. 09352/4960 oder 09359/317) außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.

„Köpenick“ in Lohr a. Main
Die Lohrer waren von Anfang an durch die örtlichen Tageszeitungen ausführlich und immer nach dem neuesten Stand der Ermittlungen informiert worden. Über keinen anderen Gaunerstreich war so ausdauernd und umfangreich im allgemeinen Teil der Zeitungen geschrieben worden. Auch noch viel später wurde das Thema immer wieder den Lohrern in Erinnerung gebracht.So berichtete der Lohrer Anzeiger am 10. November 1915: „Daß auch der 'Hauptmann von Köpenick', der Geniestreich des Schuhmachers Voigt aus Tilsit, jetzt schon vom Grammophon wiedergegeben wird, ist auch in Lohr Tatsache geworden. Der Inhaber des Gasthauses 'zur Sonne' dahier, Herr Josef Fech, ist bereits im Besitz eines solchen Stückes. Dasselbe ist auf einer Doppelplatte aufgenommen und zerfällt in zwei Teile. Der 1. Teil behandelt: 'Den Aufmarsch der Grenadiere und die Reise nach Köpenick'; der 2. Teil: 'Die Besetzung des Rathauses und die Gefangennahme und Wegführung des Bürgermeisters'. Es würde zu weit führen, auf den Wortlaut des Stückes näher einzugehen. Interessenten können wir mitteilen, daß die 'Hauptaufführung' morgen vormittag in genanntem Lokale stattfindet.“
Fünf Jahre später, im Oktober 1920, brachten die „Union-Lichtspiele“ im Gasthaus „Bayerischer Hof“ den Stummfilm „Der Hauptmann von Köpenick“. In der Inseratenankündigung vom 9.Oktober 1920 in der Lohrer Zeitung hieß es u.a.: „Ab heute eine Uraufführung, von der alles sprechen wird? Die ganze Welt hat gelacht, auch Lohr wird lachen über den Spitzbubenstreich des Schusters Wilhelm Voigt, genannt der Hauptmann von Köpenick! Die musikaliche Begleitung des Films erfolgte durch das Salonduo Herr.
Bemerkenswert ist auch ein mehrseitiger Bericht in der Lohrer Zeitung 1939 mit dem Titel „Der Eulenspiegel des 20. Jahrhunderts – Der klassische Geniestreich des Hauptmanns von Köpenick“.
Die Lohrer konnten sich also auch noch viele Jahre später an dem Gaunerstreich der Schusters Voigt erfreuen.

Der Hauptmann von Köpenick in Franken

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis 1908 machte Voigt auf seinen Geschäftsreisen auch gelegentlich in Franken Station. So berichtete der „Lohrer Anzeiger“ am 18. März 1909: „Der Schuster Voigt , genannt 'Hauptmann von Köpenick', gibt, wie schon mitgeteilt, auch in Franken Gastrollen, um seine Finanzen glänzend zu gestalten. Kurz vor seinem Gaunerstreich in Köpenick hat der schlaue Schuster, wie die Zeitungen mitteilen, ein Liebesverhältnis mit einer Frau G. angeknüpft. Im Gefängnis soll er ihr dann brieflich den Vorschlag gemacht haben, sich scheiden zu lassen und hoch und teuer versprochen haben, sobald er wieder in Freiheit sei, werde er sie zum Traualtar führen. Jetzt, nachdem die Frau getrennt von ihrem Mann lebt, weigert sich der geriebene eisgraue Don Juan, nunmehr der Frau G. die Hand zum Ehebund zu reichen. Die betrogene Frau hat nun gegen Voigt eine Schadenersatzklage wegen Nichteinhaltung des Eheversprechens angestrengt. Man sollte es nicht für möglich halten, daß solche Helden es auch noch fertig bringen, Geld in Menge aus den Taschen des sensationslüsternen Publikums zu ziehen. Am Montag Nachmittag 5 Uhr 33 fuhr ein Herr von Kitzingen aus mit dem Zug nach Nürnberg und nahm in einem Anschlußcoupe 3. Klasse Platz. Im gleichen Wagen befand sich auch der ausgelernte Schuster; er trug einen hocheleganten Anzug, feinen goldenen Kneifer und hatte einen Halbzylinder auf sein ehrwürdiges Haupt gestülpt. Seine Zungenfertigkeit gab den Passagieren genügend Stoff zur Kurzweil bis nach Nürnberg. Dort wurde Voigt von einem Hotelbesitzer mit zwei Trabanten empfangen und mit einem erstklassigen Automobil weiterbefördert. Wie man hört, tritt er dort in einem Kabarett auf und wird dort als Zugnummer Verwendung finden – und dabei viel Geld verdienen. Man muß sich nur anzustellen wissen, das Geld liegt auf der Straße. Daß das Geschäft des Wilhelm Voigt in Würzburg floriert hat, beweist nachstehende Danksagung im 'Würzburger General-Anzeiger': „Da es mir bei meinem kurzen Aufenthalt in Würzburg unmöglich geworden ist, allen meinen Wohltätern aus früheren schweren Tagen persönlich meinen Dank auszusprechen, so bitte ich Sie, diese wenigen Zeilen darauf anzusehen, daß ich damit bezeugen will wie wohltuend mir seinerzeit die Teilnahme an meinem herben Geschick gewesen. Besonders verpflicht bin ich aber der Dame aus Würzburg, die mir durch Einsendung einer bedeutenden Geldsumme während meiner Strafhaft, eine gesunde Basis für mein späteres Fortkommen hat schaffen wollen. Die Adresse der Dame ist mir leider unbekannt geblieben. Vielleicht wäre die Dame so gütig, mir dieselbe mitzuteilen. Andernfalls erkläre ich hier, daß das Geld ganz in dem Sinne, wie von der Dame gewünscht, von mir verwendet worden ist. Für die große Teilnahme, welche mir auch jetzt wieder in Würzburg erwiesen ist sage ich Allen meinen herzlichsten Dank. Wilhelm Voigt.“

Für einige Soldaten der Würzburger Garnison hatte der Aufenthalt Voigts in Würzburg ein unangenehmes Nachspiel. Sie hatten sich den Witz erlaubt, mit entsprechenden militärischen Ehrenbezeigungen an dem Schuster vorbeizumarschieren und ihm „Grüß Gott, Herr Hauptmann!“ zuzurufen. Der verärgerte Regimentskommandeur verhängte über die Soldaten Arreststrafen.

Pressestimmen zum Fall „Köpenick“:
Berliner Volkszeitung vom 18. 10. 1906, Abendausgabe:
„Der Held von Köpenick, er hat den Zeitgeist richtig erfaßt. Er steht auf der Höhe intelligentester Würdigung moderner Machtfaktoren. Der Mann ist ein Realpolitiker allerersten Ranges...Ein Hochstapler, ein Gauner, ein Räuber mußte kommen, um dergestalt eine der wundersamsten staatlichen Ordnungseinrichtungen ad absurdum zu führen!“

Kölnische Tageszeitung vom 18. 10. 1906:
„Der Streich ist von so einer wilden Verwegenheit und mit einer so unerschütterlichen Ruhe ausgeführt worden, daß man, namentlich da er geglückt ist, sich kaum enthalten kann, mit dem Urheber – der heute unzweifelhaft die größte Tagesberühmtheit der Welt ist und Millionen in herrliche Heiterkeit versetzt hat – eine, wenn auch etwas lasterhafte, so doch nicht unerklärliche Sympathie zu fühlen.“

„Die Welt am Montag, Berlin, vom 22. Oktober 1906:
Mit der Gewalt eines Erdbebens erschüttern Lachstürme Europa. Ein genialer Gauner hat eine glänzende Parodie auf die amtliche preußische Intelligenz in Uniform und am grünen Tisch aufgeführt, in der die militärische und Polizei-Macht, die gepriesenen Säulen der Monarchie, als eifrige Statisten mitwirkten, bereit, jeden niederzuschlagen und aufzuspießen, der nicht ebenso tölpelhaft hinfiel wie sie und den Räuberhauptmann etwa bei seiner Arbeit stören wollte...
Schade, jammerschade, daß Meister Wilhelm Busch Stift und Feder beiseite gelegt hat und als Einsiedler in der Lüneburger Heide lebt! Er allein könnte die Mär von Köpenick der Nachwelt so kongenial künden, daß sie unsterblich lebt im Liede...
Wie ein toller Fastnachtsscherz mutet die ganze Geschichte an, die wirklich nur in Rußland oder Preußen möglich war. Schon in Süddeutschland hätte der Respekt vor der heiligen Uniform nicht alles Denken und jeden Widerstand erstickt, sondern man hätte nötigenfalls mit Hilfe der Polizei und der Bürgerschaft den Hauptmann, den ja Herr Langerhans (Bürgermeister von Köpenick) für geisteskrank hielt, und seine Begleitung entwaffnet und bei Widerstand niedergeschlagen...“

Die Welt am Montag, Berlin, vom 29. Oktober 1906:
„Nun haben sie ihn glücklich...Doch welche Enttäuschung! Kein Schimmer von Romantik, kein Abglanz einer jemals zu Recht getragenen Uniform fällt versöhnend auf die umdüsterten Gemüter der Opfer des schwarzen Tages von Köpenick. Die Blamage wird immer größer. Ein simpler Schuster aus Tilsit, der Stadt jenes Friedens, der die tiefste Erniedrigung Preußens nach den Tagen von Jena besiegelte, ein Mensch, der nie Soldat war, dieweil er seit seinem achtzehnten Lebensjahr kaum aus dem Zuchtaus herausgekommen ist, das ihn siebenundzwanzig von seinen siebenundfünzig Lebensjahren beherbergt und das er erst im Frühjahr verlassen hat!... Wir wissen es längst, daß nicht Amerika, sondern das heutige Deutschland, das Deutschland Wilhelms II., als das Land der ungegrenzten Möglichkeiten gelten muß. Vielleicht kann man es noch treffender das Land der grenzenlosen Unmöglichkeiten nennen...“

Sonderausstellung vom 16. Oktober 2006 bis 26. Oktober 2006


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