Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum vom 3. bis 31. August 2011:
Wie am 13. August 1961 der „Frieden“ gerettet wurde
Ein Beitrag zum Berliner Mauerbau der DDR vor 50 Jahren


„Am frühen Morgen des 13. August 1961 standen Tausende Genossen der Kampftruppen aus den Betrieben entlang der Stsaatsgrenze zu Westberlin“ (auf dem Bild: vor dem Brandenburger Tor).
„Am frühen Morgen des 13. August 1961 standen Tausende Genossen der Kampftruppen aus den Betrieben entlang
der Staatsgrenze zu Westberlin“ (auf dem Bild: vor dem Brandenburger Tor).
(Aus dem Lehrbuch „Staatsbürgerkunde“ für Hilfsschulen, Volk und Wissen,
Abteilung 1, Klasse 8, Volkseigener Verlag Berlin, 1986)


Zur Erinnerung an den Berliner Mauerbau vor 50 Jahren zeigt das Lohrer Schulmuseum aus dem reichhaltigen eigenen Fundus
im Eingangsbereich vom 3. bis 31. August 2011 DDR-Exponate aus dem schulischen Bereich zum Thema Mauerbau, Grenzsicherung usw.
In den sechs Vitrinen wird ergänzend auf die allgemeine militärische Erziehung hingewiesen, die schon in den Kindergärten begann, sich in den Schulen als Unterrichtsprinzip fortsetzte – als eigenes Fach fand Wehrerziehung in den Klassen 9 und 10 statt – und auch in der Lehrerausbildung eine Rolle spielte. So war es „für die männlichen Lehramtsstudenten Ehrensache, als Soldat, bzw. Uffz auf Zeit zu dienen, über die gesetzliche Wehrpflicht hinaus zum militärischen Schutz unserer Heimat beizutragen“. Und „wie die Mehrheit der Werktätigen, so bekundeten damals (am 13. August 1961) alle Lehrer und Studenten ihre Zustimmung zu den Grenzsicherungsmaßnahmen und ihre Bereitschaft zur Verteidigung der DDR“.
(Aus: 40 Jahre sozialistische Lehrerbildung in Meiningen, 1946-1986)
Verletzungen an der Staatsgrenze
Allgemeiner Hinweis über die sozialistische Schule der DDR in der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums:
Mit Schulbüchern und Gegenständen usw. aus dem DDR-Schulleben ermöglicht das Lohrer Schulmuseum, das, auch wegen seiner gesellschaftlich-politischen Ausrichtung auf die Zeit von 1789 bis 1989, heute national wie international zu den attraktivsten Schulmuseen zählt, interessante Einblicke in ein sozialistisches Bildungssystem und zeigt die vielfältigen Möglichkeiten politischer Indoktrinationen (auch am Beispiel „Drittes Reich“) auf, die heute, hoffentlich und endgültig, der Vergangenheit angehören - denn der gewünschte mündige Bürger setzt eine andere Erziehung voraus, in der kein Platz für linke und rechte Ideologen ist.


Wie am 13. August 1961 der „Frieden“ gerettet wurde
Der Mauerbau und seine Begründung in Schulbüchern der DDR


„Am 13. August 1961 wurde unsere Staatsgrenze zu Westberlin zuverlässig geschützt. Die Kampfgruppen der Arbeiterklasse haben ihre Aufgabe gemeinsam mit den anderen bewaffneten Kräften vorbildlich erfüllt.“ (Aus dem Lehrbuch „Staatsbürgerkunde“ für Hilfsschulen, Volk und Wissen, Abteilung 1, Klasse 8, Volkseigener Verlag Berlin, 1986; ähnlich auch in „Heimatkunde – Lehrbuch für die Klasse 4“, Volk und Wissen, Volkseigener Verlag Berlin, 1989)
Das 25 Jahre nach dem Mauerbau aufgelegte Schülerbuch liefert auch gleich auf mehrere Seiten die Begründung und Rechtfertigung dieser besonderen Grenzsicherung:
„Solange unsere Republik besteht, hetzen die Rundfunk- und Fernsehsender der BRD gegen unser Land.
Als zum Beispiel die Imperialisten die Stahllieferungen in die DDR sperrten, behaupteten ihre Sprecher im Rundfunk, unsere Arbeiter könnten die Betriebe nicht richtig leiten. Die Rundfunk- und Fernsehsender der BRD verbreiteten fast täglich Lügen über die DDR.
Besonders hetzen die Imperialisten der BRD gegen unsere Staatsgrenze. Diese Grenze schützt die volkseigenen Betriebe und das Land der Genossenschaftsbauern. (...) Die Imperialisten führen den Klassenkampf mit Lüge, Hetze und Mord. Das sind Verbrechen gegen den Frieden und den Sozialismus.“
„Diese Gedenkstätte erinnert an den jungen Grenzsoldaten Reinhold Huhn. Er wurde 1962 bei der Ausübung seines Dienstes heimtückisch ermordet. Allein in diesem Jahr wurden noch drei Grenzsoldaten getötet. (...) Die Imperialisten führen den Klassenkampf mit Lüge, Hetze und Mord. Das sind Verbrechen gegen den Frieden und den Sozialismus.“
„Diese Gedenkstätte erinnert an den jungen Grenzsoldaten Reinhold Huhn. Er wurde 1962 bei der Ausübung seines Dienstes heimtückisch ermordet.
Allein in diesem Jahr wurden noch drei Grenzsoldaten getötet. (...) Die Imperialisten führen den Klassenkampf mit Lüge, Hetze und Mord.
Das sind Verbrechen gegen den Frieden und den Sozialismus.“
(Aus dem Lehrbuch „Staatsbürgerkunde“ für Hilfsschulen, Volk und Wissen, Abteilung 1, Klasse 8, Volkseigener Verlag Berlin, 1986)


Weitere Beispiele, Angriffe und Sabotageakte der westdeutschen „Imperialisten“ betreffend, werden in der folgenden Buchseite unter der Überschrift „Wie die Imperialisten der BRD unsere Wirtschaft schädigten“ aufgelistet:
„Im Februar 1955 gingen die neuerbauten Sendesäle des Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR in Flammen auf. Der Täter war ein Student aus Westberlin. Er hatte sich als Agent gegen die DDR anwerben lassen.
Im Frühjahr 1955 erkrankten in unserer Republik etwa 5000 Rinder an einer bösartigen Magen- und Darmentzündung. 1200 Tiere starben an dieser unbekannten Krankheit. Der Schaden betrug 5 Millionen Mark. Eine Firma aus der BRD hatte vergiftete Erntebindfäden geliefert, durch die die Rinder krank wurden. Solche Verbrechen von Agenten aus Westberlin und aus der BRD sollten unsere Wirtschaft schädigen.
Brandstiftung und Gift waren aber nicht die einzigen Mittel, mit denen die Imperialisten den Klassenkampf gegen die DDR führten.
Durch Lügen und Hetze in den Rundfunk- und Fernsehsendern der BRD ließen sich Menschen dazu verleiten, unsere Republik zu verlassen. Viele wurden mit Geld bestochen und abgeworben. (...) In dieser Zeit erlitt unsere Republik große Verluste. Der Schaden für unsere Wirtschaft betrug viele Millionen Mark. Die Imperialisten der BRD hofften, daß unsere Republik durch diese Schädigung vernichtet werden könnte.“
Nach dieser Vorbereitung und Einstimmung wird in dem Schülerbuch die Sicherung der „Staatsgrenze unserer Republik“ 1961 beschrieben:
„Im Sommer 1961 verstärkten die Imperialisten der BRD den Kampf gegen die DDR. (...) Entschlossen handelte unser Staat.
Am frühen Morgen des 13. August 1961 standen Tausende Genossen der Kampftruppen aus den Betrieben entlang der Staatsgrenze zu Westberlin auf Wacht. Die Genossen der Deutschen Volkspolizei sorgten auf den Straßen und Bahnhöfen für Ruhe und Ordnung.
Einheiten der Nationalen Volksarmee und der Sowjetarmee standen mit ihrer Kampftechnik bereit, um jeden Angriff der Feinde abzuwehren. Auf diese Front entschlossener und kampfbereiter Männer wagten die Imperialisten keinen ernsthaften Angriff. (...) Den Agenten aus Westberlin und aus der BRD war der freie Zugang in unsere Republik versperrt.
Die Medaille „Kampfauftrag der FDJ 1961“ war eine Auszeichnung der FDJ (Freie Deutsche Jugend) der DDR und wurde im August 1961 gestiftet. Die Verleihung erfolgte an Jugendliche der FDJ, die im Zusammenhang mit der Abriegelung der Grenzen zu Westberlin kurzfristig in die Reihen der NVA (Nationale Volksarmee) eingetreten waren.
Die Medaille „Kampfauftrag der FDJ 1961“ war eine Auszeichnung der FDJ
 (Freie Deutsche Jugend) der DDR und wurde im August 1961 gestiftet.
 Die Verleihung erfolgte an Jugendliche der FDJ, die im Zusammenhang
mit der Abriegelung der Grenzen zu Westberlin kurzfristig in die
Reihen der NVA (Nationale Volksarmee) eingetreten waren.

Mit der Sicherung der Grenzen zu Westberlin und zur BRD kam unser Staat weiteren Angriffen der Imperialisten zuvor. Die Imperialisten der BRD hatten schon Pläne ausgearbeitet, wie sie unsere Republik erobern wollten. Diese Ziele konnten sie nun nicht mehr verwirklichen. Der Frieden wurde gerettet.“
Was hier den Schülern – ähnlich in anderen Schülerbüchern - geboten wurde, kann man nur sehr bedingt nachvollziehen.
Der Wahrheitsgehalt der Argumente erscheint uns auch aus heutiger Sicht wohl sehr fraglich und weitgehend unglaubwürdig. Es waren typische Rechtfertigungsversuche eines totalitären Staates gegenüber der eigenen Bevölkerung.
Auffallend ist, dass noch in 1989 herausgegebenen DDR-Schulbüchern sehr aggressiv gegen die BRD gehetzt wurde, ganz im Gegensatz zu den offiziellen Entspannungsbemühungen.
Als antifaschistischer Schutzwall taugte die gesamte Zonengrenze, zumindest aus militärischer Sicht nicht, denn dann hätte die Anlage völlig anders angelegt werden müssen, wohl aber dazu, die eigenen Leute einzusperren und ihnen ein elementares Grundrecht zu verweigern.
Soldaten
Anmerkung: Wie der Mauerbau in den Schulbüchern der BRD dargestellt wurde, dazu nachfolgendes Beispiel, auszugsweise entnommen dem Geschichtsbuch für das 7. und 8. Schuljahr (der Volksschule), „WIR ERLEBEN GESCHICHTE“, 1967 herausgegeben vom Bayerischen Schulbuch-Verlag:
„Bis zum 13. August 1961 konnten Flüchtlinge aus der Ostzone (DDR) noch über Berlin entkommen. Es war nicht allzu schwer, aus dem Ostsektor der Stadt in den Westsektor zu gelangen.
Da befahl Ulbricht ('Vorsitzender des Staatsrates' der DDR) am 13. August 1961 die Errichtung einer Mauer quer durch Berlin. Betonpfähle und Stacheldrahtverhaue machen aller Welt sichtbar, was der 'Bauern- und Arbeiterstaat der Deutschen Demokratischen Republik' in Wirklichkeit ist: ein riesiges Gefängnis. Mauer und Stacheldraht sollen den Weg in die Freiheit versperren. (...) Trotz Mauer, Stacheldraht und Volkspolizei versuchen täglich Menschen aus dem 'Paradies der Werktätigen' zu entfliehen. Immer wieder büßen Flüchtlinge ihren Willen zur Freiheit mit dem Leben. Die Volkspolizisten haben Befehl, auf jeden 'Republikflüchtling' zu schießen. (...). Vielleicht sollten wir öfter darüber nachdenken, was es bedeutet, als freier Bürger zu leben.“

Spielzeug-Panzer (30 cm lang und 15 cm breit) aus einem DDR-Kindergarten
Spielzeug-Panzer (30 cm lang und 15 cm breit) aus einem DDR-Kindergarten

Die Grenzsicherungen der DDR
Im Mai 1952 eröffneten die DDR- Machthaber eine dreiwöchige Propagandakampagne gegen die BRD. Unter dem Vorwand, dass der Arbeiter – und Bauernstaat vor „Agenten, Spionen und Diversanten“ aus der BRD geschützt werden müsse, befahl der DDR-Ministerrat am 26. Mai 1952  „Maßnahmen an der Demarkationslinie“, die u. a. einen 10 Meter breiten Kontrollstreifen, einen 500 Meter breiten Schutzstreifen und eine 5 Kilometer-Sperrzone beinhalteten.
In den folgenden Jahren wurden die Grenzanlagen verstärkt durch Alarmanlagen, Straßensperren, Sprengfallen, Wachtürme usw. Trotz aller Absperrmaßnahmen, gelang es der Führungsriege der DDR-Kommunisten nicht, die Massenflucht aus der damaligen Sowjetzone nachhaltig einzudämmen.
Die „Sicherung der Staatsgrenze West“ und der „Schutzwall gegen Agenten und Saboteure aus der Bundesrepublik“ hatte ein großes Loch: Berlin.
Am 13. August 1961 wurde mit dem Mauerbau quer durch Berlin auch diese letzte Möglichkeit einer halbwegs gefahrlosen „Republikflucht“ unterbunden.
„...daß die Sonne lacht!“, Gedicht im „Lesebuch 2, Klasse 2“, Volk und Wissen, Volkseigener Verlag Berlin, 1978 (Foto: Schulmuseum)  Gemeinsam stehen sie auf Friedenswacht
„...daß die Sonne lacht!“, Gedicht im „Lesebuch 2, Klasse 2“, Volk und Wissen,      „AUF WACHT FÜR SOZIALISMUS UND FRIEDEN,
Volkseigener Verlag Berlin, 1978 (Foto: Schulmuseum)

„Grenzsoldaten auf Friedenswacht“

Bemerkenswertes zum Thema „Grenzsicherung der DDR“ ist auch im Schülerbuch „Heimatkunde 4“, für die 4. Klasse der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule (vergleichbar mit der Volksschule in der damaligen BRD), Ausgabe 1987, zu lesen. Dort heißt es unter der Überschrift „Grenzsoldaten auf Friedenswacht“: „Die Sicherung der Staatsgrenze (am 13. August 1961) kam für unsere Gegner völlig überraschend. Es gelang ihnen nirgends, ernsthaft Widerstand zu leisten. Trotzdem versuchten unsere Feinde auch nach dem 13. August 1961 immer wieder, die Grenze der DDR zu durchbrechen.
Als sie 1964 von Westberlin aus einen Tunnel bauten, der unter der Grenze in die DDR führte, wurden sie von Grenzsoldaten entdeckt. Sofort feuerten die Agenten mehrere Schüsse ab. Der Unteroffizier Egon Schultz wurde von den Verbrechern getötet. Er war 21 Jahre alt und von Beruf Lehrer. (...) Immer wieder kam es vor, daß Grenzsoldaten bei ihrem verantwortungsvollen Dienst von Westberlin aus beschossen wurden. Außer unserem Genossen Egon Schultz wurde eine ganze Anzahl weiterer Grenzsoldaten, unter ihnen der Unteroffizier Reinhold Huhn, feige umgebracht.“
Mit keinem Wort wird in dem Schülerbuch an die Ermordung von „Republikflüchtlingen“ an der innerdeutschen Grenze durch die DDR-Grenzsoldaten erinnert.

Das Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen. (Kontakt: Eduard Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder 09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net)


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