Zur
Erinnerung an den Berliner Mauerbau vor 50 Jahren zeigt das Lohrer
Schulmuseum aus dem reichhaltigen eigenen Fundus
im Eingangsbereich vom
3. bis 31. August 2011 DDR-Exponate aus dem schulischen Bereich zum Thema Mauerbau, Grenzsicherung usw.
In
den sechs Vitrinen wird ergänzend auf die allgemeine militärische
Erziehung hingewiesen, die schon in den Kindergärten begann, sich in
den Schulen als Unterrichtsprinzip fortsetzte – als eigenes Fach fand
Wehrerziehung in den Klassen 9 und 10 statt – und auch in der
Lehrerausbildung eine Rolle spielte. So war es „für die männlichen
Lehramtsstudenten Ehrensache, als Soldat, bzw. Uffz auf Zeit zu dienen,
über die gesetzliche Wehrpflicht hinaus zum militärischen Schutz
unserer Heimat beizutragen“. Und „wie die Mehrheit der Werktätigen, so
bekundeten damals (am 13. August 1961) alle Lehrer und Studenten ihre
Zustimmung zu den Grenzsicherungsmaßnahmen und ihre Bereitschaft zur
Verteidigung der DDR“.
(Aus: 40 Jahre sozialistische Lehrerbildung in Meiningen, 1946-1986)
Allgemeiner Hinweis über die sozialistische Schule der DDR in der ständigen Ausstellung des Lohrer Schulmuseums:
Mit
Schulbüchern und Gegenständen usw. aus dem DDR-Schulleben ermöglicht
das Lohrer Schulmuseum, das, auch wegen seiner
gesellschaftlich-politischen Ausrichtung auf die Zeit von 1789 bis
1989, heute national wie international zu den attraktivsten Schulmuseen
zählt, interessante Einblicke in ein sozialistisches Bildungssystem und
zeigt die vielfältigen Möglichkeiten politischer Indoktrinationen (auch
am Beispiel „Drittes Reich“) auf, die heute, hoffentlich und endgültig,
der Vergangenheit angehören - denn der gewünschte mündige Bürger setzt
eine andere Erziehung voraus, in der kein Platz für linke und rechte
Ideologen ist.
„Am
13. August 1961 wurde unsere Staatsgrenze zu Westberlin zuverlässig
geschützt. Die Kampfgruppen der Arbeiterklasse haben ihre Aufgabe
gemeinsam mit den anderen bewaffneten Kräften vorbildlich erfüllt.“
(Aus dem Lehrbuch „Staatsbürgerkunde“ für Hilfsschulen, Volk und
Wissen, Abteilung 1, Klasse 8, Volkseigener Verlag Berlin, 1986;
ähnlich auch in „Heimatkunde – Lehrbuch für die Klasse 4“, Volk und
Wissen, Volkseigener Verlag Berlin, 1989)
Das 25 Jahre nach dem
Mauerbau aufgelegte Schülerbuch liefert auch gleich auf mehrere Seiten
die Begründung und Rechtfertigung dieser besonderen Grenzsicherung:
„Solange unsere Republik besteht, hetzen die Rundfunk- und Fernsehsender der BRD gegen unser Land.
Als
zum Beispiel die Imperialisten die Stahllieferungen in die DDR
sperrten, behaupteten ihre Sprecher im Rundfunk, unsere Arbeiter
könnten die Betriebe nicht richtig leiten. Die Rundfunk- und
Fernsehsender der BRD verbreiteten fast täglich Lügen über die DDR.
Besonders
hetzen die Imperialisten der BRD gegen unsere Staatsgrenze. Diese
Grenze schützt die volkseigenen Betriebe und das Land der
Genossenschaftsbauern. (...) Die Imperialisten führen den Klassenkampf
mit Lüge, Hetze und Mord. Das sind Verbrechen gegen den Frieden und den
Sozialismus.“
„Diese Gedenkstätte erinnert an den jungen Grenzsoldaten Reinhold Huhn.
Er wurde 1962 bei der Ausübung seines Dienstes heimtückisch ermordet.
Allein in diesem Jahr wurden noch drei Grenzsoldaten getötet. (...) Die
Imperialisten führen den Klassenkampf mit Lüge, Hetze und Mord.
Das
sind Verbrechen gegen den Frieden und den Sozialismus.“
(Aus dem
Lehrbuch „Staatsbürgerkunde“ für Hilfsschulen, Volk und Wissen,
Abteilung 1, Klasse 8, Volkseigener Verlag Berlin, 1986) Weitere
Beispiele, Angriffe und Sabotageakte der westdeutschen „Imperialisten“
betreffend, werden in der folgenden Buchseite unter der Überschrift
„Wie die Imperialisten der BRD unsere Wirtschaft schädigten“
aufgelistet:
„Im Februar 1955 gingen die neuerbauten Sendesäle des
Staatlichen Rundfunkkomitees der DDR in Flammen auf. Der Täter war ein
Student aus Westberlin. Er hatte sich als Agent gegen die DDR anwerben
lassen.
Im Frühjahr 1955 erkrankten in unserer Republik etwa 5000
Rinder an einer bösartigen Magen- und Darmentzündung. 1200 Tiere
starben an dieser unbekannten Krankheit. Der Schaden betrug 5 Millionen
Mark. Eine Firma aus der BRD hatte vergiftete Erntebindfäden geliefert,
durch die die Rinder krank wurden. Solche Verbrechen von Agenten aus
Westberlin und aus der BRD sollten unsere Wirtschaft schädigen.
Brandstiftung und Gift waren aber nicht die einzigen Mittel, mit denen die Imperialisten den Klassenkampf gegen die DDR führten.
Durch
Lügen und Hetze in den Rundfunk- und Fernsehsendern der BRD ließen sich
Menschen dazu verleiten, unsere Republik zu verlassen. Viele wurden mit
Geld bestochen und abgeworben. (...) In dieser Zeit erlitt unsere
Republik große Verluste. Der Schaden für unsere Wirtschaft betrug viele
Millionen Mark. Die Imperialisten der BRD hofften, daß unsere Republik
durch diese Schädigung vernichtet werden könnte.“
Nach dieser
Vorbereitung und Einstimmung wird in dem Schülerbuch die Sicherung der
„Staatsgrenze unserer Republik“ 1961 beschrieben:
„Im Sommer 1961 verstärkten die Imperialisten der BRD den Kampf gegen die DDR. (...) Entschlossen handelte unser Staat.
Am
frühen Morgen des 13. August 1961 standen Tausende Genossen der
Kampftruppen aus den Betrieben entlang der Staatsgrenze zu Westberlin
auf Wacht. Die Genossen der Deutschen Volkspolizei sorgten auf den
Straßen und Bahnhöfen für Ruhe und Ordnung.
Einheiten der Nationalen
Volksarmee und der Sowjetarmee standen mit ihrer Kampftechnik bereit,
um jeden Angriff der Feinde abzuwehren. Auf diese Front entschlossener
und kampfbereiter Männer wagten die Imperialisten keinen ernsthaften
Angriff. (...) Den Agenten aus Westberlin und aus der BRD war der freie
Zugang in unsere Republik versperrt.
Die Medaille „Kampfauftrag der FDJ 1961“ war eine Auszeichnung der FDJ
(Freie Deutsche Jugend) der DDR und wurde im August 1961 gestiftet.
Die
Verleihung erfolgte an Jugendliche der FDJ, die im Zusammenhang
mit der
Abriegelung der Grenzen zu Westberlin kurzfristig in die
Reihen der NVA
(Nationale Volksarmee) eingetreten waren. Mit
der Sicherung der Grenzen zu Westberlin und zur BRD kam unser Staat
weiteren Angriffen der Imperialisten zuvor. Die Imperialisten der BRD
hatten schon Pläne ausgearbeitet, wie sie unsere Republik erobern
wollten. Diese Ziele konnten sie nun nicht mehr verwirklichen. Der
Frieden wurde gerettet.“
Was hier den Schülern – ähnlich in anderen Schülerbüchern - geboten wurde, kann man nur sehr bedingt nachvollziehen.
Der
Wahrheitsgehalt der Argumente erscheint uns auch aus heutiger Sicht
wohl sehr fraglich und weitgehend unglaubwürdig. Es waren typische
Rechtfertigungsversuche eines totalitären Staates gegenüber der eigenen
Bevölkerung.
Auffallend ist, dass noch in 1989 herausgegebenen
DDR-Schulbüchern sehr aggressiv gegen die BRD gehetzt wurde, ganz im
Gegensatz zu den offiziellen Entspannungsbemühungen.
Als
antifaschistischer Schutzwall taugte die gesamte Zonengrenze, zumindest
aus militärischer Sicht nicht, denn dann hätte die Anlage völlig anders
angelegt werden müssen, wohl aber dazu, die eigenen Leute einzusperren
und ihnen ein elementares Grundrecht zu verweigern.
Anmerkung:
Wie der Mauerbau in den Schulbüchern der BRD dargestellt wurde, dazu
nachfolgendes Beispiel, auszugsweise entnommen dem Geschichtsbuch für
das 7. und 8. Schuljahr (der Volksschule), „WIR ERLEBEN GESCHICHTE“,
1967 herausgegeben vom Bayerischen Schulbuch-Verlag:
„Bis zum 13.
August 1961 konnten Flüchtlinge aus der Ostzone (DDR) noch über Berlin
entkommen. Es war nicht allzu schwer, aus dem Ostsektor der Stadt in
den Westsektor zu gelangen.
Da befahl Ulbricht ('Vorsitzender des
Staatsrates' der DDR) am 13. August 1961 die Errichtung einer Mauer
quer durch Berlin. Betonpfähle und Stacheldrahtverhaue machen aller
Welt sichtbar, was der 'Bauern- und Arbeiterstaat der Deutschen
Demokratischen Republik' in Wirklichkeit ist: ein riesiges Gefängnis.
Mauer und Stacheldraht sollen den Weg in die Freiheit versperren. (...)
Trotz Mauer, Stacheldraht und Volkspolizei versuchen täglich Menschen
aus dem 'Paradies der Werktätigen' zu entfliehen. Immer wieder büßen
Flüchtlinge ihren Willen zur Freiheit mit dem Leben. Die
Volkspolizisten haben Befehl, auf jeden 'Republikflüchtling' zu
schießen. (...). Vielleicht sollten wir öfter darüber nachdenken, was
es bedeutet, als freier Bürger zu leben.“
Im
Mai 1952 eröffneten die DDR- Machthaber eine dreiwöchige
Propagandakampagne gegen die BRD. Unter dem Vorwand, dass der Arbeiter
– und Bauernstaat vor „Agenten, Spionen und Diversanten“ aus der BRD
geschützt werden müsse, befahl der DDR-Ministerrat am 26. Mai
1952 „Maßnahmen an der Demarkationslinie“, die u. a. einen 10
Meter breiten Kontrollstreifen, einen 500 Meter breiten Schutzstreifen
und eine 5 Kilometer-Sperrzone beinhalteten.
In den folgenden Jahren
wurden die Grenzanlagen verstärkt durch Alarmanlagen, Straßensperren,
Sprengfallen, Wachtürme usw. Trotz aller Absperrmaßnahmen, gelang es
der Führungsriege der DDR-Kommunisten nicht, die Massenflucht aus der
damaligen Sowjetzone nachhaltig einzudämmen.
Die „Sicherung der
Staatsgrenze West“ und der „Schutzwall gegen Agenten und Saboteure aus
der Bundesrepublik“ hatte ein großes Loch: Berlin.
Am 13. August
1961 wurde mit dem Mauerbau quer durch Berlin auch diese letzte
Möglichkeit einer halbwegs gefahrlosen „Republikflucht“ unterbunden.
Bemerkenswertes
zum Thema „Grenzsicherung der DDR“ ist auch im Schülerbuch „Heimatkunde
4“, für die 4. Klasse der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule
(vergleichbar mit der Volksschule in der damaligen BRD), Ausgabe 1987,
zu lesen. Dort heißt es unter der Überschrift „Grenzsoldaten auf
Friedenswacht“: „Die Sicherung der Staatsgrenze (am 13. August 1961)
kam für unsere Gegner völlig überraschend. Es gelang ihnen nirgends,
ernsthaft Widerstand zu leisten. Trotzdem versuchten unsere Feinde auch
nach dem 13. August 1961 immer wieder, die Grenze der DDR zu
durchbrechen.
Als sie 1964 von Westberlin aus einen Tunnel bauten,
der unter der Grenze in die DDR führte, wurden sie von Grenzsoldaten
entdeckt. Sofort feuerten die Agenten mehrere Schüsse ab. Der
Unteroffizier Egon Schultz wurde von den Verbrechern getötet. Er war 21
Jahre alt und von Beruf Lehrer. (...) Immer wieder kam es vor, daß
Grenzsoldaten bei ihrem verantwortungsvollen Dienst von Westberlin aus
beschossen wurden. Außer unserem Genossen Egon Schultz wurde eine ganze
Anzahl weiterer Grenzsoldaten, unter ihnen der Unteroffizier Reinhold
Huhn, feige umgebracht.“
Mit keinem Wort wird in dem Schülerbuch an
die Ermordung von „Republikflüchtlingen“ an der innerdeutschen Grenze
durch die DDR-Grenzsoldaten erinnert.