„LOHR a. M. - Blick v. Marienkrankenhaus Sendelbach“, kolorierte Panorama-Postkarte, um 1914;
Eine
besondere Attraktion bietet das Lohrer Schulmuseum seinen Besuchern
an den Osterfeiertagen am 1. und 2. April 2018 von 14 – 16 Uhr
bei freiem Eintritt: ein Modell des kgl. bayer. Kettenschleppers aus
der Zeit um 1900, in der Maingegend besser bekannt unter dem Namen
„Meekuh“.
Der Lohrer Ernst Lembach hat dieses Modell vor 12 Jahren
nach den Plänen des Verkehrsmuseums Nürnberg, Abt. Deutsche Bahn, im
Maßstab 1:50 detailgetreu mit einem großen Arbeitsaufwand für das
Lohrer Schulmuseum gebaut. Alle Teile wurden von ihm in Handarbeit
gefertigt. So ist ein Meisterwerk des Modellbaus entstanden, das
höchsten Ansprüchen gerecht wird. Zusätzlich werden weitere Modelle von
Schiffen usw. von Ernst Lembach, der vor einigen Monaten verstorben
ist, gezeigt und erinnern an das meisterhafte Talent eines Mannes, der
im Lohrer Museum über Jahrzehnte hinweg großartige Leistungen erbracht
hat.
Bilder, Skizzen usw. aus dem Archiv des Lohrer Schulmuseums und
aus einem Privatarchiv liefern weitere Informationen zum Thema
„Kettenschleppschifffahrt“ auf dem Main.
Der Lohrer Ernst Lembach hat dieses Modell vor 12 Jahren nach den Plänen des Verkehrsmuseums Nürnberg, Abt. Deutsche Bahn,
im Maßstab 1:50 detailgetreu mit einem großen Arbeitsaufwand gebaut. Alle Teile wurden von ihm in Handarbeit gefertigt.
So ist ein Meisterwerk des Modellbaus entstanden, das höchsten Ansprüchen gerecht wird.
In
den handschriftlichen Aufzeichnungen des Sendelbacher Schiffers
Heinrich Ebert ist das nun im Modell nachgebaute Kettenschleppschiff
genau beschrieben: „Im Jahre 1898 – 1900 ließ der Bayerische Staat 5
Kettenboote bauen. Erbauer war die Schiffswerft Übigau in Dresden an
der Elbe. Die Boote wurden in Aschaffenburg am alten Winterhafen
zusammengesetzt und montiert.
Der Mittelraddampfer „Frankonia“ bei Klingenberg a/Main, wohl um 1900. Schrauben- und Raddampfer konnten vor der
Kanalisierung
des Mains infolge der zahlreichen Untiefen für den Gütertransport kaum
eingesetzt werden. Häufig fanden sie aber für
die Personenschifffahrt Verwendung. Die 1841 in Würzburg gegründete Dampfschifffahrt errichtete zwischen Mainz und Bamberg
zahlreiche Agenturen und Landeplätze, um einen fahrplanmäßigen Personenverkehr auf dem Main durchführen zu können.
Die
Boote waren 50 m lang, 7 m breit, hatten mit 20 Tonnen Kohle an Bord
einen Tiefgang von 0,65 m. Sie hatten einen eisernen Boden, Holzdeck,
ein Ruder vorn und eins hinten, einen Dampfkessel mit einem Feuer,
einen Kamin mit einem weißen und blauen Ringel versehen. (...) Die
Kette lag etwa 2 m um einen Apparat herum, jedes Kettenglied wurde mit
2 Stahlfingern festgehalten. (...) Als Antrieb diente eine 120 PS
starke Maschine, auf der Talfahrt fuhren die Boote ohne Kette, mit 2
Tubinen je 60 PS.
Der Kohlenverbrauch pro Stunde betrug etwa 3 Ztr.
Der kgl. bayer. Kettenschlepper Nr. II neben der Lohrer Mainbrücke.
In
den Jahren 1911 – 1912 kamen nochmal drei Boote dazu von denselben
Dimensionen und der gleichen Schiffswerft, die Kessel hatten aber 2
Feuer und wurden alle drei Jahre nach Nürnberg geschickt zur
Untersuchung. (...)
Das
Kettenschiff Nr. I der Deutschen Reichsgesellschaft („DRG. KS No
I.“) Die Kettenschlepper fuhren in den letzten Jahren
im Auftrag der Deutschen Reichsgesellschaft; entsprechend wurde die Kennzeichnung der Schlepper geändert.
Von
1898 – 1900 befuhren die Boote die Strecke von Aschaffenburg bis
Würzburg, ab 1901 nach Kitzingen, von 1912 bis 1938 nach Bamberg. 1938
kam die Kette heraus – es waren 314 km – und wurde verschrottet, ebenso
die Maschinen und Kessel. Die Boote wurden verkauft, zum Teil fanden
sie Verwendung als Wohnschiffe, Bootshäuser und Werkstattschiffe. Die
Kapitäne wurden pensioniert, Steuerleute, Matrosen, Maschinisten und
Heizer wurden bei der Eisenbahn verwendet, meistens als Heizer bis zu
ihrer Pensionierung.“
(Text, Fotos, Kopien von Eduard Stenger)
Zu
ihrer letzten Fahrt startete die „Meekuh“, wie sie im Volksmund genannt
wurde, im Mai 1938. Die Lohrer Zeitung schrieb dazu am 20. Mai 1938:
„Es ist allerdings eine andere Aufgabe, als das Zubergschleppen von
Lastkähnen, und demzufolge sieht man die 'Meekuh' auch nicht als
Zugtier vor eine lange Kette von Lastkähnen gespannt, sondern in
Begleitung nur eines Schleppkahnes (...)
Mit
einer gestellten Szene wollte der Fotograf die Entwicklung der
Schifffahrt auf dem Main Ende des 19. Jahrhunderts aufzeigen:
Die mainaufwärts dampfende „Meekuh“ mit mehreren (etwas klein geratenen) Lastkähnen im Schlepp macht die Leinreiter und
ihre Pferde überflüssig. Für die letzten Leinreiter aus Lohr Hansjörg Franz, Michael Lang und Johann Keller bedeutete das den
Verlust eines einträglichen Jobs, in der Geschichte der Mainschifffahrt das Ende eines mehr als 1000 Jahre alten Schleppsystems.
Der
Zweck, den der Schleppdampfer diesmal verfolgt, ist die auf der Strecke
Aschaffenburg – Bamberg liegende Führungskette zu heben. Wenn nun heute
das früher so bekannte Signal der 'Meekuh' ertönt, sozusagen als
letzter Gruß einer vergangenen Zeit, so wird sich wie immer die Kette
aus dem Main erheben und auf das Schiff laufen, jedoch aber nicht
wieder zurück in die Fluten versinken. Nach Aufrollen am Greifer wird
die Kette in den nebenan fahrenden Schleppkahn geleitet, der die Kette
zum Verschrotten abtransportiert. Die acht Kettenschleppdampfer, die
acht 'Meekühe' also, die es gab, die abwechselnd ihre Arbeit leisteten,
nun aber bis auf die jetzt tätige in dem Aschaffenburger Hafen ruhen,
werden zum Teil anderen Zwecken dienlich gemacht.“
Nostalgisches
Bedauern bestimmte auch den Nachruf, mit dem sich die Lohrer Zeitung am
21. Mai 1938 von der „Meekuh“ verabschiedete: „...Nun gehört auch die
'Meekuh' der Geschichte an. Ihr Gebrüll wird nicht mehr das Tal
erzittern lassen. (...) Was war das einmal für ein großer Tag – auch
für unser Lohr, als das erste 'Kettenboot' unten bei Pflochsbach
auftauchte und durch unsere Brücke fuhr. Was gab's da für große Augen!
Ein Dampfer und ganz anders als die andern! (...) Die Hölle des
Heizers, die schmucken Kabinen, die Kommandobrücke des Kapitäns – was
waren das doch für Wunderdinge für eine Lohrer Jugend, die noch nicht
wie die Jugend von heute das Glück hatte, schon von der Schulbank aus
halb Deutschland bereisen zu können, und deren Welteroberungsdrang sich
droben am 'Schanzkopf' oder drüben am 'Schwartenmagen' erproben mußte.
Vor
allem war es die – Kette, die uns mit Staunen erfüllte. Wie sie aus dem
Wasser heraufrollte und über das Deck lief und sich verkroch und
plötzlich wieder erschien und wieder verschwand im nassen Element, und
dazu diese höllische Musik, dies Klirren und Rasseln – das eiserne
Zeitalter hat damals von unseren jugendlichen Seelen Besitz ergriffen.
(...) Das Werk der Kette ist getan. Wir sagten ihr gestern ade. Noch
einmal klirrte sie durchs Tal. In letzter Fahrt. Ein Klang der Zeit. In
den Bergen und Wäldern hat er sich verloren.“
(Text, Fotos, Kopien von Eduard Stenger)