„Das Wesentliche einer Revolution ist nicht die Erringung der Macht, sondern die Erziehung der Menschen. (Adolf Hitler)“,
heißt es im Vorwort zu den Richtlinien über „Erziehung und Unterricht in den bayerischen Volksschulen“, 4. Auflage, 1943.
Was
unter diesem Kernsatz zu verstehen war, wird in einer Sonderausstellung
des Lohrer Schulmuseums vom 30. Jan. 2013 bis 12. Jan. 2014 am Beispiel
der „Fibel der Mark Brandenburg“ aus dem Jahr 1943 deutlich.

„Pimpfe“
(zehn- bis vierzehnjährige Jungen) auf dem Marsch;
Seitenillustration aus:„Fibel der Mark Brandenburg“ 1943.

Mädchen
spielen mit Puppen – Vorbereitung auf die spätere Mutter und Hausfrau;
Seitenillustration aus: „Fibel der Mark Brandenburg“ 1943.

„Eintopfsonntag“;
Seitenillustration aus: „Fibel der Mark Brandenburg“ 1943. Einmal im
Monat von Oktober bis März sollte in allen deutschen Haushalten nur
Eintopf (vor allem) als Zeichen der Solidarisierung mit der
NS-Volksgemeinschaft gegessen werden.
Stark vergrößerte farbige Bildkopien und die jeweiligen Original-Texte zeigen dem Jahresverlauf folgend einen konfliktfreien
harmonischen
Lebensraum im bäuerlichen und kleinbürgerlichen Bereich. Die
zunehmenden Belastungen und Bedrohungen durch den Krieg oder andere
Problemkreise wurden ausgespart. An den Krieg erinnerten bestenfalls
durch die Stadt marschierende Soldaten und Manöver – zumindest für die
Buben eine höchst aufregende Angelegenheit. Heroisierend wurde an die
Toten des 1. Weltkrieges erinnert („Sie starben für das Vaterland.“).
Unübersehbar und ständig präsent war die NS-Ideologie als
selbstverständlicher Teil des Schullebens – bedingungslose Anpassung
und Ausrichtung wurden vorausgesetzt.

Der
Lohrer Kindergarten (undatiertes Foto) – Hitlerbild und Hakenkreuz
gehörten auch im Kindergarten zum obligatorischen Wandschmuck.
(Foto Kleinfelder, Lohr a.Main)

Klassenzimmer
aus der hiesigen Region um 1935: Das Hitlerbild ist zweimal vorhanden,
das Kreuz sollte nach 1941 als „unpassender Wandschmuck“ bei
Gelegenheit entfernt werden. (Foto Kleinfelder, Lohr a.Main)
So
konnte schon der Schulanfänger durch die Fibel erfahren, dass er sich
an den nationalsozialistischen Aktivitäten zu beteiligen hatte und dass
die nationalsozialistischen Jugendorganisationen (HJ und BDM) neben
Schule und Elternhaus eine wichtige Rolle im Leben der Kinder und
Jugendlichen spielten. Besonders deutlich wird das im Text auf Seite 67
der Fibel: „Heinrich und Helmut gehen zum Heimabend. Unterwegs treffen
sie Horst und Werner. Von weitem sehen sie am Maste die Flagge mit dem
Hakenkreuz. Sie treten ein und rufen 'Heil Hitler!'
Nun sitzen sie
um den Tisch. Zuerst lernen sie ein neues Lied. Dann liest Hermann vor:
Ein Pimpf hat Adolf Hitler auf dem Obersalzberg gesehen. Sonnabend und
Sonntag soll ein Marsch gemacht werden. In der Herberge werden sie
übernachten.“
Immer wieder wurde die unterschiedliche Erziehung von
Buben und Mädchen dargestellt, deutlich erkennbar in den Szenen des
Alltags: Der Bub spielte mit Soldaten und Panzern, das Mädchen mit
Puppen.

Würfelspiel „Der Siegeslauf des Hakenkreuzes“. (Foto Kleinfelder, Lohr a.Main)

Würfelspiel „Stukas greifen an“. (Foto Kleinfelder, Lohr a.Main)
Andere
Themen bezogen sich auf die heimatliche Lebenswelt (z.B. Gartenarbeiten
im Jahresverlauf, handwerkliche Berufe usw.) als „Abbild des völkischen
Lebens, in der sich die Kinder als in ihr verwurzelte Glieder des
deutschen Volkes erkennen sollen (...) der Heimatmensch in
blutsverbundener Gemeinschaft, in seinem Wirken und Schaffen.“
(Richtlinien vom 23. Juli 1940). Mit verschiedenen weiteren Exponaten
zeigt die Ausstellung außerdem, dass die NS-Indoktrination sich auch
über ein
reichhaltiges Angebot an Spielen aller Art auf die Freizeit erstreckte. Neben den üblichen Spielsachen gab es nun Stahlhelme
in originalgetreuer Nachbildung für die Buben, Würfelspiele („Stukas greifen an“) usw. als selbstverständlicher Teil des
kindlichen Alltags – sie belegen, dass das Kinderspielzeug als ein wirkungsvolles Werbemittel für politische-ideologische
Beeinflussungen und Ausrichtungen der Kinder eingesetzt wurde, in ähnlicher Weise später in der DDR.

„Trau
keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid - Ein
Bilderbuch für Groß und Klein“, von Elvira Bauer, Stürmerverlag
Nürnberg, 1936. Dieses Buch entsprach in Wort und Bild allen üblichen
und üblen Klischees der Antisemiten. Das antisemitische Hetzbblatt „Der
Stürmer“ empfahl das Buch der achtzehnjährigen Kunststudentin wärmstens
für jeden Weihnachtstisch.
Dass dabei auch die Freizeitliteratur nicht ausgespart wurde, braucht eigentlich nicht erwähnt zu werden. Ein extremes
Beispiel
dafür ist das ausgestellte antisemitische Kinderbuch „Trau keinem Fuchs
auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid“ - Ein Bilderbuch für
Groß und Klein“, von Elvira Bauer, Stürmerverlag Nürnberg, 1936. Dieses
Buch entsprach in Wort und Bild allen schlimmen Klischees der
Antisemiten.
Das antisemitische Hetzblatt „Der Stürmer“ empfahl das Buch der achtzehnjährigen Kunststudentin wärmstens für jeden
Weihnachtstisch.
So ermöglicht die Jahressonderausstellung im Gewölbekeller des Lohrer
Schulmuseums den Besuchern ein anschauliches Bild von dem Leben der
Kinder im Dritten Reich, vor allem aber von den Möglichkeiten der
politischen Manipulation, der die Kinder ausgesetzt waren, und durch
die die Kinder in ihrer Entwicklung geprägt wurden.
Weitere Aussagen
zu diesem Thema finden sich in der ständigen Ausstellung des
Schulmuseums mit den Schwerpunkten Kaiserzeit und Drittes Reich.
Das
Lohrer Schulmuseum im Ortsteil Lohr-Sendelbach ist von Mittwoch bis
Sonntag und an allen gesetzlichen Feiertagen jeweils von 14 bis 16 Uhr
geöffnet. Gruppen können auch nach vorheriger Absprache außerhalb der
regulären Öffnungszeiten das Museum besuchen.
(Kontakt: Eduard
Stenger, Zum Sommerhof 20, 97816 Lohr a.Main; Tel. 09352/4960 oder
09359/317, e-Mail: eduard.stenger@gmx.net)