Wie von Zauberhand gemacht erscheinen die Stücke der neuen Sonderausstellung im Lohrer Schulmuseum:
zarte
Handschuhe und Söckchen - mit unvorstellbar dünnen Nadeln gestrickt -,
Deckchen, umhäkelte und bestickte Taschentücher, Lochstickerei auf
feinstem Batist, Makramee- und Klöppelarbeiten, Stick- und Strickmuster
und vieles mehr.
Diesen Schatz erhielt das Schulmuseum vom
Schwesternwohnheim der Franziskanerinnen in Lohr-Sendelbach. Schwester
Angela, die lange Zeit als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin an
der Volksschule Dettelbach tätig war, hat die Sammlung verschiedenster
Nadelarbeiten in ihrem über 80-jährigen Leben zusammengetragen. Auch
heute noch animiert sie ihre Mitschwestern zum Handarbeiten.
Handarbeitsstunde an einer Höheren Töchterschule, Holzstich um 1890.
Ihre
Augen leuchten, wenn sie verschiedene Techniken erklärt und mit kleinen
Rollen und Farbe Muster auf Stoffe aufbringt, die mit Festonstichen
umnäht gleichmäßig gezackte oder gewellte Kanten an Taschentüchern oder
Deckchen ergeben.
Die Teile sind mit feinsten Fäden gearbeitet und
man kann nur ahnen, wie zeit- und arbeitsaufwändig ihre Herstellung
war. Entstanden sind sie vorwiegend Anfang bis Mitte des 20.
Jahrhunderts - gut zu erkennen an teilweise aufgestickten oder
eingehäkelten Jahreszahlen -, als die Franziskanerinnen in Lohr noch
eine „Höhere Töchterschule“ leiteten. Dort wurden im
Handarbeitsunterricht natürlich in erster Linie Stücke für den
„gehobenen Haushalt“ hergestellt, was die Zartheit der ausgestellten
Stücke erklärt, gröbere Arbeiten wie das Stricken von Strümpfen mit
Schafswolle, Stopfen oder Nähen von Bettwäsche überließ man den
Volksschulen.
Strickunterricht in einer Schwälmer (Nordhessen) Schule, Holzstich 1894
Die
„Schul- und Lehrordnung für die Volksschule“ Unterfrankens beschrieb im
Jahr 1913 die Zielsetzung des Schulfachs „Mädchen-Handarbeiten“ wie
folgt: „Der Unterricht soll die Schülerinnen befähigen die im
häuslichen Leben unentbehrlichen einfachen Nadelarbeiten selbständig,
genau und sauber zu besorgen; er soll zugleich zur Achtsamkeit, Ordnung
und Sparsamkeit erziehen und den Schönheitssinn pflegen.“
ABC-Mustertuch mit moralisierenden Sprüchen, um 1910
Gezeigt
werden in der Sonderausstellung auch Hilfsmittel und Geräte, die das
Handarbeiten erleichterten. Dazu gehören Musterbücher und Anleitungen,
Stickrahmen, Stempelrollen zum Aufbringen von Mustern, Kupferplättchen
für das Vorzeichnen von Monogrammen, und natürlich verschiedenste
Nadeln.
Vergrößerte Werbemarken für Textilien usw. aus der Zeit um 1910. Solche Marken wurden damals vor allem zum Verschließen
von Briefen verwendet, waren aber auch bei den Kindern ein beliebtes und kostenloses Sammel-Hobby.
Ergänzt
durch Fotografien aus den 20er und 30er Jahren des letzten
Jahrhunderts, die Schulklassen der „Höheren Töchterschule“ in Lohr und
Mädchen beim Handarbeiten zeigen, gibt die Sonderausstellung Einblick
in Techniken und Fertigkeiten, die heute in der Schule nicht mehr
gelehrt werden und nun drohen, in Vergessenheit zu geraten.
Denn wer weiß schon noch, wie man festoniert oder was Occhihäkeln ist?
Die
Ausstellung „Wie von Zauberhand“ wird vom 16. Nov. 2016 bis 26.
März 2017 im Erdgeschoss des Schulmuseums in Lohr-Sendelbach gezeigt.