Aus
dem ehemaligen Theaterfundus des Aloysianums übergab Frau Fröhlich dem
Lohrer Schulmuseum zwei Paradeschläger, wie sie auch heute noch bei
entsprechenden Studentenverbindungen in Gebrauch sind.

Die restaurierten Paradeschläger (= Degen); Mütze, Couleurband (alle in den "Verbindungsfarben"rot-weiß-rot) sowie
das "offizielle" Foto der 1. Lohrer Abituria 1905 Ein solcher Paradeschläger kostete damals etwa 25 Mark.
Heute kosten derartige Schläger etwa 500 €. Zum Vergleich: Ein erwachsener männlicher "Taglohnarbeiter"
erhielt 1905 pro Tag etwa 2,70 Mark bei einer Arbeitszeit "vom Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang",
natürlich mit den üblichen Pausen. (Foto: Eduard Stenger)
Nach
einer umfangreichen Restaurierung durch Ernst Lembach sind diese
Schläger mit den Corpsfarben („Verbindungsfarben“) rot-weiß-rot der
Lohrer Abiturienten nun interessante Erinnerungsstücke an die ersten
Lohrer Abiturjahrgänge.

Paradeschläger (Degen), Mütze (aus "Seidensamt"), Couleurbrustband und Liederheft der
Lohrer Abituria 1905 in den "Verbindungsfarben" rot-weiß-rot
(Foto: Kleinfelder, Lohr am Main)
Kurze
historische Erinnerung: Als im Jahr 1902 das Lohrer Progymnasium mit
dem „Kleinen Absolutorium“ in ein „Ordentliches Gymnasium“ mit neun
Schuljahren und Abitur umgewandelt wurde, hatte man in Lohr endlich ein
Ziel erreicht, das die Lohrer seit der Errichtung der Lateinschule 1838
beharrlich verfolgt hatten: Lohr war Gymnasialstadt geworden, damals
eine schulische Rarität unter vergleichbaren Städten.

Farbige Postkarte aus dem Jahr 1906 (aus dem Artikel in der Zeitschrift "Bayerland", Jahrgang 1908:
"Lohr
am Main, die Perle des Spessarts."): "Einen imposanten Abschluß erhält
das (Lohrer) Städtebild gegen Westen in dem neuen Gymnasium, wohl eine
der schönsten Anstalten des Landes. Glückliche Jugend, welche hier ihre
Studien verleben kann, ferne
dem lärmenden Getriebe der Großstädte, den Zerstreuungen und Verführungen derselben, in dieser balsamischen frischen Luft,
in dieser reizvollen Umgebung."

"LOHR
a. M. - Blick v. Marienkrankenhaus Sendelbach", kolorierte
Panorama-Postkarte, um 1914: Das 1904 eröffnete neue Gymnasialgebäude
steht fast genau in der Mitte der Fotografie. Lohr war
"Gymnasialstadt", wie damals die örtliche Presse mit Recht
stolz
verkündete, denn zu dieser Zeit gab es in ganz Bayern nur ca. 50
Gymnasien - heute gibt es allein in Unterfranken fast so viele.
(Foto-Repro: Schulmuseum Lohr)
Drei
Jahre später, 1905, und nach den vorausgegangenen Prüfungen in
den Fächern Religion, deutsche Sprache, lateinische Sprache,
griechische Sprache, französische Sprache, Mathematik und Physik,
Geschichte und Turnen, konnte sich mit Stolz und dem Anlass
entsprechender Würde die erste Lohrer Abituria der Öffentlichkeit
präsentieren. Das offizielle Foto der Lohrer Abituria 1905 zeigt, dass
sich die damaligen Abiturienten an elitären ("schlagenden")
Verbindungen orientierten mit Schülermütze, Couleurband und Chargia.
Auf dem Abschlussfoto sind nur männliche Personen, zu sehen, denn
„höhere“ Bildung blieb den Mädchen an den staatlichen Schulen versagt.

"Couleurpfeifenkopf mit feinster Wappenmalerei" der Lohrer Abituria 1905; auf der Rückseite die Namen der Abiturienten
Die komplette Pfeife kostete ca. 9 Mark. (Fotos: Kleinfelder, Lohr am Main)
Erst
ab 1911 durften Mädchen die bayerischen Gymnasien besuchen, und es
dauerte noch Jahrzehnte, bis sich die Mädchen einen festen Platz im
Gymnasium sichern konnten. Dass heute mehr als die Hälfte der
Abiturienten Mädchen sind, zeigt, wie sehr sich die ursprünglich von
Männern dominierte Gesellschaft verändert hat.
 Offizielle Festpostkarte der Lohrer Abituria 1905 (Couleurpostkarte) (Foto-Repro: Schulmuseum Lohr) |  "Weinzipfel" ("prima versilbert") der Lohrer Abituria 1905 Ein solcher "Weinzipfel" kostete damals ca. 2,80 Mark. Das
Verschenken oder Austauschen von Bier-, Wein- und Sektzipfeln mit
Namengravur ist heute noch ein studentisch-akademischer Brauch und ein
besonderes Zeichen der Freundschaft und Zuneigung. (Foto: Kleinfelder, Lohr am Main) |
Übrigens:
Damals besuchte nur etwa ein Prozent der männlichen Jugend das
Gymnasium. Wer das Abitur („Reifeprüfung“) bestand, dem stand die
akademische Welt offen, allerdings durfte man von dem Abiturienten auch
erwarten, dass er dem Status eines späteren Akademikers in jeder
Beziehung gerecht werden würde.